„Graphologie hat nichts mit Wahrsagerei zu tun“
Frau Nauer, warum ist die Graphologie heutzutage von der Wirtschaft nicht mehr so gefragt wie auch schon, wenn es darum geht, personelle Entscheidungen zu treffen?
Genau belegbar ist dies nicht. Die sinkende Nachfrage hat aber sicher damit zu tun, dass die Graphologie etwa in den USA nie richtig Fuss gefasst hat. Heute ist es moderner, ein Assessment durchzuführen. Solche Assessment-Centers, die primär von grossen Unternehmen genutzt werden, haben den Vorteil, dass sie eine höhere Augenschein-Validität aufweisen. Das heisst, man gewinnt den Eindruck, dass ein solches Verfahren durchsichtig ist, da es vielfach gilt, Fragen zu beantworten.

Was lässt sich überhaupt mit Graphologie aussagen? Lassen sich durch eine Handschriftprobe die „guten“ von den „schlechten“ Managern unterscheiden?
Diese Frage ist so nicht zu beantworten, doch auch andere Selektionsinstrumente schaffen dies nicht. Ich selber kann ein Psychogramm über die jeweilige Persönlichkeit erstellen, ich kann etwas über die intellektuellen, sozialen, aber auch über die Handlungskompetenzen einer bestimmten Person aussagen. Und in der Folge bin ich in der Lage, auf Grund dieser Ergebnisse auf die Führungskompetenzen des Kandidaten zu schliessen. Die Graphologie ist letztlich als Mosaikstein im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu sehen. Wir können keine Aussagen bezüglich konkreter Verhaltensweisen machen, sondern nur Tendenzen aufzeigen, etwa wie es sich mit der Belastbarkeit eines Individuums verhält.

Was ist denn eigentlich der Mehrwert der Graphologie? Was können Sie bieten, wozu andere nicht in der Lage sind?
Wir sind in der Lage, etwas über das Potential des Individuums auszusagen. Wir können Hinweise dazu geben, wo angesetzt werden muss, um ganz bestimmte Defizite auszumerzen. Kommt hinzu, dass wir gerade auch in Zeiten erhöhten Kostenbewusstseins den Vorteil haben, mit einfachen Mitteln und in verhältnismässig kurzer Zeit ausführliche Standortbestimmungen machen zu können.

Interview: Jan Mühlethaler