Was ist Graphologie?
Die Graphologie oder Schriftpsychologie zieht aus der Handschrift Rückschlüsse auf die Persönlichkeit eines Schreibers.
Die Schrift wird dabei als Körperprache auf feinmotorischer Ebene betrachtet. Da Körpersprache deutbar ist, gehört die Graphologie in den Bereich der Ausdruckspsychologie bzw. der diagnostischen Psychologie.
Die Graphologie hat sich seit etwa 100 Jahren in Europa entwickelt und ist vor allem in Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Holland und der Schweiz sehr verbreitet. Ihre Lehre bleibt, wie jede grundsätzliche Erkenntnis, stets aktuell und anwendbar.
Selbst ein Laie kann zwischen unausgeschriebenen Kinderschriften, Erwachsenenhandschriften und Schriften alter, kranker oder süchtiger Menschen unterscheiden. Provozierte seelische Veränderungen durch Hypnose, Medikamente oder als Ergebnis einer Psychotherapie finden ebenfalls ihren Niederschlag in der Schrift.
Der beste Beweis dafür, daß die Handschrift im Grunde ‘Gehirnschrift’ ist, daß es sich beim Schreiben um einen zentral gesteuerten Vorgang handelt, wird dadurch erbracht, daß die Schrift unabhängig vom ausführenden Organ (Hand, Mund oder Fuß) den gleichen Duktus aufweist! Das Entscheidende ist also die Psyche und nicht das ausführende Organ.
War es vor dem 2. Weltkrieg vor allem Ludwig Klages, der das Gesicht der deutschen Graphologie prägte, so nahmen nach dem Krieg Rudolf Pophal und das Autorenpaar Müller und Enskat starken Einfluß auf die weitere Entwicklung der Methode. In den letzten drei Jahrzehnten orientierte sich die Graphologie zunehmend am tiefenpsychologischen Menschenbild, wie es in den Schriften von Freud, Jung und Szondi dargestellt wird.
Sofern ein Graphologe mit seiner Gutachtertätigkeit mehr als nur exakte psychodiagnostische Tatbestandsfeststellung anstrebt, etwa fundierte Lebensberatung zur Persönlichkeitsentwicklung, Partner- und Berufswahl vermitteln will, kommt er ohne tiefenpsychologische Grundkenntnisse und Selbsterfahrung nicht aus. Wenn er sie hat, eröffnet sich ihm ein weites, fast unübersehbares Betätigungsfeld:
1. in der Erziehungsberatung;
2. in der Zusammenarbeit mit Psychotherapeuten, psychosomatischen Kliniken;
3. bei der Partnerwahl, Eheberatung und
4. in der betriebsgraphologischen Beratung.
Abgrenzung zu Tests
Psychologische Tests sind wissenschaftliche Routineverfahren zur Untersuchung einer oder mehrerer abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale. Ein Test sieht immer standardisierte Situationen vor. Außerdem müssen im Rahmen eines psychologischen Tests die Variablen konstruiert werden, während sich in Handschriften einige Größen schätzen lassen, andere sogar unmittelbar gemessen werden können (Größe, Lage, Druck usw.).
Eine Handschrift entsteht in der jeweiligen Lebenssituation eines Menschen und zeigt die Persönlichkeit in ihrer Totalität, gut integriert und strukturiert oder konfliktbehaftet und gestört.
Die Erstellung eines schriftpsychologischen Gutachtens erfolgt individuell und kann in keinem Fall einem Computer-Interpretationssystem überlassen werden. Die Urteilsbildung eines erfahrenen Schriftpsychologen läßt sich weder simulieren, noch durch lineare Modelle adäquat abbilden.
Der diagnostische Blickwinkel der Graphologie ist breiter als der selbst einer umfangreichen Testbatterie. Damit begründet sich die Sonderstellung der Graphologie im Verhältnis zu anderen psychodiagnostischen Methoden. Das graphologische Persönlichkeitsbild eignet sich hervorragend als Integrationsrahmen für Befunde, die durch Tests, Interviews und andere Methoden gewonnen werden.
Tests finden in einer Art Laborsituation statt und bekanntlich setzen bei häufiger Teilnahme an Tests und Assessmentverfahren Anpassungs- und Lernprozesse ein, die Testergebnisse beeinflussen. Schriftdokumente hingegen sind das Ergebnis einmaliger Schreibleistungen, bei denen sich der Schreiber auf die Mitteilung und nicht auf die Schrift konzentriert. So hinterläßt der Mensch unbewußt mit seiner Schrift ein Bild seiner selbst!
Ziel dieser Information im Internet ist es, die Beratungskompetenz der Graphologen transparent zu machen.
Der Berufsverband
- veranstaltet alle zwei Jahre im Oktober den „Internationalen Graphologentag“ in München; (siehe Rubrik ‚Veranstaltungen‘ auf dieser Website)
- bietet die Möglichkeit des Fernunterrichts in Form eines Grund- und Aufbaukurses;
- gibt eine Fachzeitschrift heraus, die als einzige deutschsprachige Fachzeitschrift 2017 im 65. Jahrgang erscheint.