Von Bewerberseite werden graphologische Gutachten mit großem Unbehagen aufgenommen, weil völlig unbekannt ist, auf was es bei Schriftproben ankommt und worauf der Graphologe achtet.

Zunächst soll mit einigen Mythen aufgeräumt werden, die sich in Diskussionen über die Graphologie hartnäckig halten, weil ein Autor vom anderen Meinungen übernimmt, ohne selbst zu recherchieren:

1. Mythos: Lebenslauf
Im Gegensatz zur gängigen Meinung (Wikipedia) spielt der Lebenslauf, der heute überwiegend am PC geschrieben wird, keine Rolle mehr. In der Regel wird während des Bewerbungsvorganges eine Handschriftprobe angefordert. Der Inhalt des Textes ist ohne Bedeutung, d.h. es kann sich um die Abschrift aus einer Firmenbroschüre, um einen Text aus der Zeitung oder um ein Schriftstück aus einem Assessment Center handeln. Die Unterschrift unter dem Text ist jedoch wichtig, ebenso daß mit einem guten Kugelschreiber oder Füller möglichst auf unliniertem Papier geschrieben wird.

2. Mythos: Ableitungen aus dem Inhalt des Lebenslaufs
Mit dem oben Gesagten erübrigt es sich, auf dieses abwegige Argument einzugehen, das nicht selten von angesehenen Hochschulprofessoren ins Feld geführt wird.

3. Mythos: Schönschrift
Der Graphologe erwartet keine Sonntagsschrift, wie sie einem in der Schule beigebracht wurde, sondern eine gut lesbare Alltagsschrift. Mit einer kindlichen Schulschrift würde ein Kandidat nur einen entsprechenden Charakter andeuten, nicht aber Format und Individualität.

4. Mythos: Vage und allgemeingültige Aussagen
Dieser Mythos, daß die Aussagen in Gutachten auf jeden passen, kann durch einen Blick auf die Beispielgutachten auf dieser Internetseite und auf www.grapho24.de leicht entkräftet werden. Grundsätzlich fließen nur Charakterisierungen in das Gutachten ein, die für das Unternehmen interessant sind. Persönlichkeitsstörungen, Probleme in der Kindheit und latente Minderwertigkeitsempfindungen spielen nur dann eine Rolle im Gutachten, wenn sie sich auf den Arbeitsalltag auswirken.

Aus der Handschrift eines Menschen ist ein sehr differenziertes und zutreffendes Persönlichkeitsporträt ableitbar. Die diagnostische Perspektive der Graphologie kann durch Tests nicht erreicht werden, weshalb sich das Verfahren insbesondere für die Beurteilung von Führungskräften in den oberen Hierarchien eignet.

Worauf achtet der Graphologe?
Der Graphologe achtet auf den Bewegungsablauf einer Schrift, die Buchstabenformen und die Raumgestaltung auf dem Papier.
Ideal und dem Stil der Zeit entsprechend ist eine vereinfachte, übersichtlich angeordnete und dynamisch wirkende Schrift, die nicht zuletzt auch leserlich sein sollte. Unleserlichkeit könnte auf soziale Rücksichtslosigkeit schließen lassen.

Positiv werden in einer Schrift gewertet: eigengeprägte und zügig zu Papier gebrachte Buchstabenformen, geringe Schwankungsbreite der Schriftmerkmale (besonders der Schriftlage), originelle und wegsparende Buchstabenverbindungen und rhythmische , druckstarke Schrift bei elastischem Strich. Außerdem sollen Textschrift und Unterschrift im Duktus möglichst miteinander übereinstimmen.

Eine statisch wirkende Schrift mit dominierenden Rundungen weist auf Gefühls- und Hingabefähigkeit hin. Eine weite Schrift mit Winkeln dagegen auf Zielstrebigkeit und sachlich gebundenes Interesse.

Immer auch stellt das Schreiben eine Leistung dar. Und dieser Aspekt ist es insbesondere, der den Schriftpsychologen bei der Bewerberauslese interessiert. Wie schnell wird die Schreibleistung erbracht und unter Einsatz welchen Kraftaufwands (Druck). Wird diese Kraft auf ein Ziel hin ausgerichtet und zweckmäßig eingesetzt oder verausgabt sie sich in nebensächlichen und unwichtigen Bereicherungen einer Schrift?

Kann ich meine Schrift verstellen?
Jede Änderung einer Handschrift hat in der Regel Nebenwirkungen zur Folge, wie z.B. größere Regelmäßigkeit, stärkerer Druck, Unverbundenheit und Enge.
Mit anderen Worten, die Verstellung im Rahmen einer Bewerbung hat wenig Sinn.
Es sollte jedoch darauf geachtet werden, daß eine möglichst spontane, zügige und vereinfachte Schrift entsteht, ohne Zitterzüge oder Verschrobenheiten in der Formung.

Bewerberschönschrift

Bewerberschönschrift

Spontanschrift desselben Schreibers während eines Assessments, in der Führungs- und Managerqualifikationen deutlich zum Ausdruck kommen

Spontanschrift desselben Schreibers während eines Assessments, in der Führungs- und Managerqualifikationen deutlich zum Ausdruck kommen